Die Weisung der Uni Bern: Ein Papier voll Verzweiflung, Ambivalenz und Ahnungslosigkeit

Aus der Weisung der Uni Bern spricht so viel Verzweiflung wie Ambivalenz. Sie versucht mit verdrehten Mitteln etwas einzufangen, was sie selbst vorantreibt. Was sie befördert, ist ein Bewertungssystem von wissenschaftlicher Qualität nach Reputationspunkten: Als wertvoll gilt, was der Universität Glanz bringt.

Ihrem Verlangen nach grossem Ansehen ordnet die Universitätsleitung auch die Kommunikation von wissenschaftlichen Erkenntnissen unter: Wenn die Erkenntnisse gut für die Reputation der Uni sind, dürfen sie verbreitet werden. Wenn sie „negative Auswirkungen haben könnten [sind sie] zu unterlassen“, schreibt das Rektorat. Mit dieser Faustregel will die Universitätsleitung „das Interesse der Universität“ wahren. Was aber ist das Interesse der Universität? In der Weisung endet jeder Versuch, diese Frage zu klären, bei der Reputation. Das Interesse der Universität liegt hier somit im Glanz der Marke „Universität Bern“. Der Rektor degradiert als oberster Repräsentant der Hochschule die Universität des Kantons Bern zum Marketingtool.

Verzweiflung war noch nie ein guter Berater. In diesem Fall führt sie dazu, dass die Leitung genau das verletzt, was ihre Existenz, aber allem voran die Existenz der Hochschule überhaupt ausmacht: Die Freiheit von Forschung und Lehre. Die Universität geniesst höchsten Schutz durch die Bundesverfassung und das Hochschulgesetz, um in grösstmöglicher Freiheit Erkenntnisse für die Gesellschaft zu gewinnen und kommunizieren zu können. Und wer Erkenntnisse gewinnen möchte, ist stets auf Kommunikation angewiesen. Welches die Wege und Foren dieser Kommunikation sein können, ist nirgends festgelegt: „Es ist zentraler Bestandteil einer Kultur der freien Wissenschaft, dass sowohl die Forschungsfragen unbefangen ausgewählt als auch die Forschungsergebnisse ungehindert publiziert und weitergegeben werden können“, so einflussreiche Stimmen in der Rechtslehre (SGK BV-Schweizer/Hafner, Art. 20 N 34). Diese Kommunikationswege können wissenschaftliche Fachzeitschriften oder Konferenzen sein, es können Tages- oder Wochenzeitungen und auch Facebook oder Twitter sein. Auch wenn das eine mal mehr, das andere mal weniger sinnvoll erscheinen mag: Die Wege der wissenschaftlichen Kommunikation sind frei und frei wählbar. Zwar versucht das Papier zwischen Kommunikation von Forschungsergebnissen und Meinungsäusserung zu trennen, um die Meinungsäusserungen ihrer Forschenden zu moderieren. Aber diese Trennung ist weder möglich noch legitim. Dass dieser Zusammenhang unauflöslich ist, haben auch Rechtsexperten sorgfältig ausgelegt.

Den gesellschaftlich geschützten Raum der Freiheit geniesst die Universität, damit ihre WissenschaftlerInnen unabhängig arbeiten können. Unabhängig von Politik, von Wirtschaft und unabhängig von gesellschaftlichen Trends. Ein derzeitiger Trend ist der Reputationswahn, dessen aufmerksamkeitsökonomischen Kräfte allzu verlockend sind. Es bedarf grosser Stärke und einer klaren Haltung seitens WissenschaftlerInnen und universitärer Leitung, um sich nicht von ihnen in den Bann ziehen zu lassen, sondern der Idee der Universität treu zu bleiben.


Dana Sindermann, Sebastian Müller und Michael Heumann

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